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Udgir Projekt: Update 2010

Udgir Projekt: Update 2010

Unser Udgir-Projekt lief im Jahr 2010 im gewohnten Rahmen weiter: 40 Frauen arbeiten zur Zeit als Kinder­gärtnerinnen und Hobbyklassen-Lehrerinnen und unterrichten in 31 Kindergärten (4-5 davon in Udgir selbst, die anderen ausserhalb Udgir) und 41 Hobbyklassen. Die Hobbyklassen sind sehr beliebt und das Unterrichtsmaterial (Bücher, Spiele, etc.) wird sehr geschätzt. Im 2010 haben wir das Udgir Projekt mit CHF 10’000 unterstützt und somit alle Kosten gedeckt.

Im Dezember 2010 war Sharon Füller (Präsidentin Panah Schweiz) für zwei Wochen in Pune, Indien und konnte vor Ort sehen und hören, was unser Geld in den abgelegenen Dörfern bewirkt:

Seit 2002 ist Vanasthali in Udgir tätig und Fortschritte sind langsam sichtbar. Dies zeigt sich daran, dass nun viele Primarschulen einen Raum für den Balwadi (Kindergarten) zur Verfügung stellen. Ausserdem kämen die meisten Kinder nun sauber gewaschen in den Kindergarten und müssen nicht mehr wie am Anfang von den Kindergärtnerinnen zuerst gewaschen werden. Weiter müssen Eltern nicht mehr mit viel Mühe davon überzeugt werden, ihre Kinder in den Kindergarten zu schicken wie früher. Sogar Eltern aus einer Kaste, die als „Räuber“ bekannt sind – also aus einer richtigen Randgruppe - schicken ihre Kinder in den Kindergarten. Alles Hinweise dafür, dass ein Bewusstseinswandel in Gang gekommen ist und die Wichtigkeit der Förderung von Kindern im Vorschulalter langsam erkannt wird.

Die Kindergartenschüler hätten in ihren Familien ausserdem eine neue Rolle als Unterhalter bekommen, weil sie Lieder und Spiele vom Kindergarten nach hause bringen und so in einer Welt ohne Bücher, Computer und TV oft die einzige Unterhaltung für die Eltern und vor allem für die Mütter sind.

Auch wenn wir in Udgir schon seit ein paar Jahren eine lokale Supervisorin haben, müssen die Frauen weiterhin durch Aparna und ihr kleines Team aus Baramati unterstützt werden. Aparna und ihr Team verbringen ca. eine Woche pro Monat in Udgir, wo sie tagsüber getrennt die verschiedenen Kindergärten und Hobbyklassen besuchen. Aparna erzählte mir, dass sie am Abend oft total ausgelaugt seien nach den vielen Problemen, die sie tagsüber angetroffen hätten. Aber dann würden sie ihre Erfahrungen austauschen und auch immer wieder an die Unterstützung aus der Schweiz denken, die sie motiviert: „Wenn Panah es schafft, jedes Jahr unser Budget zu finanzieren, dann können wir auch die vielen Probleme hier vor Ort bewältigen.“

Da die Vanasthali-Frauen ihren Schülern erzählen, warum sie überhaupt in den Kindergarten oder in die Hobbyklasse gehen können und wer das alles möglich gemacht hat, haben auch die Kinder plötzlich neue Vorbilder und Berufswünsche. So hätte ein Junge, obwohl er Nirmala (Präsidentin von Vanasthali) noch gar nie getroffen hat, gesagt, er wolle einmal wie Nirmala werden und den Leuten in seinem Dorf helfen. Aber das gehe leider nicht, denn er sei ja ein Junge!

Am letzten Ausbildungskurs für Kindergärtnerinnen in Udgir nahmen 18 Frauen teil. 6 davon seien Musliminnen, die normalerweise den Schleier tragen und in diesem Kurs zum ersten Mal in einer Gruppen von fremden Leuten ihren Schleier abgelegt hätten. Auch hätten diese 6 Frauen vor diesem Kurs noch nie Kontakt zu Leuten aus einer anderen gesellschaftlichen oder religiösen Gruppe gehabt. Ein Zusammensein oder sogar Freundschaften mit jemandem ausserhalb ihrer Gruppe war für sie nicht nur unmöglich, es existierte in ihrer bisherigen Welt überhaupt nicht! Und plötzlich teilten sie mit Frauen aus anderen Gruppen und anderen Religionen die Schulbank und schlossen Freundschaften! Für diese Frauen, wie auch für viele weitere in ihrer Kaste relativ isoliert lebende Hindufrauen, hat sich dank Vanasthali eine völlig neue Welt geöffnet!

Nirmala, die Präsidentin von Vanasthali ist trotz ihrem bereits hohen Alter – sie wurde im Januar 79 - mental immer noch äusserst fit und sprudelt vor Ideen, doch körperlich hinterlässt ihr Alter langsam Spuren. Sie kann darum selbst nicht mehr nach Udgir reisen, weshalb Aparna nun häufiger, d.h. 1 Mal pro Monat eine Woche in Udgir verbringt.

Anstatt Udgir zu besuchen bat Nirmala die Frauen aus Udgir für 2 Tage ins Vanasthali Center in Baramati zu kommen, damit wir sie dort treffen konnten. Das war für uns eine kürzere und weniger anstrengende Reise und für die Frauen aus Udgir eine tolle Gelegenheit aus Udgir herauszukommen und vor allem auch neue Inputs zu erhalten. Für viele – unter anderem auch für die Musliminnen – war es die allererste Reise überhaupt, die sie aus Udgir hinausführte! Auch wenn es für viele sicher ein riesiger Schritt war, waren sie unglaublich dankbar dafür, dass Vanasthali ihnen diese Gelegenheit gegeben hat. Dass sie dabei Nirmala und Sharon – „die Frau aus der Schweiz“ – in Baramati treffen konnten, war ein grosser Anreiz, die eigene Furcht vor dieser Reise und die Widerstände von Angehörigen zu überwinden. Einigen Frauen folgten ihre Familien bis zum Bus und wollten sie bis zum Schluss davon abhalten nach Baramati zu fahren!

Die Frauen aus Udgir hatten viel zu erzählen, als wir sie in Baramati trafen: Einige Frauen haben Balwadis für Kinder von Taglöhnern (Landarbeitern) gestartet, was nicht einfach ist, da die Kinder schmutzig, ungewaschen und mit langen verfilzten Haaren in den Kindergarten kommen, so dass sie diese zuerst einmal waschen müssen und ihnen auch schon die Haare geschnitten haben. Eine andere Frau erzählte, sie hätte den Lehrern in der Schule, wo sie Hobbyklassen durchführt, mehr Disziplin und Verhaltensregeln für einen besseren Unterricht beigebracht (z.b. kein Handy während des Unterrichts).

Beim Treffen mit den Frauen aus Udgir war viel positive Energie spürbar. Die Frauen aus Udgir scheinen untereinander einen sehr guten Zusammenhalt zu haben und hatten auch viel Spass am Austausch mit ihren Gastgeberinnen aus Baramati. Am Schluss wollten dann viele noch ein Foto mit Sharon machen oder sogar ein Autogramm haben. Wahrscheinlich werden sie dann beides stolz ihren Familien zeigen und von ihren Erlebnissen in Baramati berichten, was natürlich wiederum ihren Status in der Familie aufwerten wird. Sie wird diejenige sein, die eine Ausländerin getroffen hat und sogar ein Foto mit ihr gemacht hat!

Eindrücke vom Udgir Projekt, Dez 2010
Eindrücke vom Udgir Projekt, Dez 2010

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